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Autohaus Schadenrecht „Unfallwagen-Verkauf- Restwertunsinn und (noch) kein Ende in Sicht“

Seit dem Hinweisbeschluss des OLG Köln vom 16. Juli 2012, Az.: 13 U 18/12 war vielfach zu beobachten, dass eintrittspflichtige Haftpflichtversicherungen unter Verweis auf den genannten Beschluss, die Regulierung des durch ein unabhängiges Sachverständigengutachten ermittelten Restwertes verweigerten. Dabei ist die ständige Rechtsprechung eindeutig. Der Beschluss des OLG Köln hingegen ist schlichtweg rechtsfehlerhaft und steht in völligem Widerspruch zu den maßgebenden Entscheidungen des BGH. Mit Anerkenntnisurteil vom 30.07.2015 Az.: 3 U 46/15 stellte die 3. Kammer des OLG Köln richtig, dass die im Hinweisbeschluss geäußerte Auffassung die Rechtsprechung des BGH nicht hinreichend berücksichtigt und dass keine Wartepflicht des Geschädigten auf Restwertangebote der Versicherer besteht. 

Bereits im Jahre 1992 hat der BGH unzweifelhaft (Urteil vom 21.01.1992, Az.: VI ZR 142/91 = NJW 1992, 903) entschieden, dass der Sachverständige den Restwert am örtlichen Markt ermitteln soll. Im selben Urteil hat er ausgeführt, dass sich der Geschädigte auf die Restwertangabe im Gutachten verlassen und das Fahrzeug ohne Rückfrage bei der eintrittspflichtigen Versicherung zu dem genannten Betrag veräußern darf. Zwar hat der BGH dem Schädiger das Recht nicht abgesprochen, dem Geschädigten ein höheres Kaufangebot zu präsentieren. Jedoch muss dies geschehen sein, bevor der Geschädigte über das verunfallte Fahrzeug verfügt hat. Das ergibt sich mittelbar aus der Entscheidung des BGH vom 30.11.1999 (Az. VI ZR 219/98 = NJW 2000, 800). Daraus herzuleiten – wie es das OLG Köln gemeint hat –, dass der Geschädigte dem Versicherer aktiv die Gelegenheit zum Überbieten geben müsse, zeugt von völliger Unkenntnis des Gesamtzusammenhanges der BGH-Rechtsprechung zum Restwert. Entgegen der Auffassung des OLG Köln besteht gerade keine Pflicht des Geschädigten, den Haftpflichtversicherer über den beabsichtigten Verkauf des Unfallfahrzeuges zu informieren und ihm so die Gelegenheit zu geben, weitere Angebote einzuholen. Ein solches Vorgehen würde die Ersetzungsbefugnis gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB unterlaufen und dem Geschädigten das Recht nehmen, die Schadensangelegenheit in eigener Regie mit Rücksicht auf die individuellen Gegebenheiten abzuwickeln (vgl. BGH Urteile vom 23.11.2010, Az.: VI ZR 35/10 und 12.07.2005 Az.: VI ZR 132/04).

Der Geschädigte ist stets der Herr des Restitutionsgeschehens und kann infolgedessen nicht nur entscheiden, ob das Fahrzeug verkauft werden soll, sondern auch wann und an wen dies geschehen soll. Bei der Schadensbehebung dürfen ihm daher nicht die von der Versicherung gewünschten Verwertungsmodalitäten aufgedrängt werden. Gehen dem Geschädigten die Restwertangebote des Versicherers erst nach dem Verkauf des Pkw zu, sind diese ohnehin aufgrund des verspäteten Zuganges unbeachtlich. Das AG Kaiserslautern entschied mit Urteil vom 24. Juni 2014, Az.: 12 C 1759/13, dass der Geschädigte nicht gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat, da er sich auf die von dem Sachverständigen ermittelten Werte beim Verkauf des Fahrzeuges verlassen durfte und sein Fahrzeug auch zugleich auf der Grundlage dieser Werte verkaufen durfte. Verpflichtet dazu, ein Restwertangebot der Versicherung abzuwarten, sei der Geschädigte jedenfalls nicht. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Geschädigte zudem verpflichtet ist, aufgrund eventuell drohender Verzögerungsschäden in Gestalt von Nutzungsausfallentschädigung, Mietwagenkosten oder  Zinsschäden, den Unfall zügig abzuwickeln. Kommt der Geschädigte dem durch einen baldigen Verkauf des unfallbeschädigten Pkw nach, kann ihm dies im Nachhinein nicht vorgehalten werden.

Sofern das OLG Köln in seinem Hinweisbeschluss vom 16. Juli 2012, Az.: 13 O 80/12 davon ausgeht, dass ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht darin liegen könne, dass ein Verkauf des Unfallwagens vor der Übersendung des Sachverständigengutachtens an die eintrittspflichtige Haftpflichtversicherung erfolgt sei und dem Versicherer so die Möglichkeit genommen werde, dem Geschädigten ein besseres Angebot zu unterbreiten, vermag dies nicht zu überzeugen. Denn diese Sichtweise würde dazu führen, dass der Geschädigte erst nach Abstimmung mit und Freigabe durch die gegnerische Versicherung sein Fahrzeug verkaufen dürfe. Dies steht im klaren Widerspruch sowohl zu § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als auch zu der Rechtsprechung des BGH. Zwar ist der Geschädigte  gehalten, wenn ihm vor der tatsächlichen Veräußerung ein akzeptables alternatives Angebot durch die regulierende Versicherung bekannt wird, auf dieses einzugehen. Jedoch führt diese Verpflichtung, entgegen der Auffassung des OLG Köln, gerade nicht dazu, dass der Geschädigte die Versicherung vor der beabsichtigten Weiterveräußerung informieren muss. Eine solche Verbindlichkeit würde dazu führen, dass der Geschädigte seine Position als Herr des Restitutionsgeschehens verlieren würde und die Schadenbehebung nicht mehr in eigener Regie und ohne den Vorgaben des Schädigers Folge leisten zu müssen, durchführen könnte (vgl. AG Biberach Urteil vom 22.02.2013, Az.: 7 C 1102/12). Die Stellung des Geschädigten darf auch nicht dadurch unterlaufen werden, dass die haftende Versicherung den Zugang eines Restwertangebotes ankündigt, um diesen so zur Aufgabe der ihm zustehenden Befugnis und zum Abwarten zu zwingen (vgl. KG Berlin Urteil vom 06.08.2015 Az.: 22 U 6/15).

Mit Entscheidung vom 06.08.2015 Az.: 22 U 6/15 hob das KG Berlin ein zuvor ergangenes Urteil des LG Berlin vom 11.12.2014 Az.: 43 O 94/14 vor dem Hintergrund auf, dass der Geschädigte nicht verpflichtet war, abzuwarten, ob die eintrittspflichte Versicherung bessere Restwertangebote einholt. Weiterhin betonte das KG Berlin, dass der Geschädigte sich nicht an, außerhalb des allgemeinen regionalen Marktes ermittelten, Restwertangeboten festhalten lassen muss. Zuvor hat auch das LG Düsseldorf mit Anerkenntnisurteil vom 29.09.2014 Az.: 20 S 39/14, unter Abänderung des Urteils des AG Neuss vom 13.03.2014 Az.: 85 C 4702/13 entschieden, dass Restwertangebote der Versicherer weder abzuwarten sind noch dass das Sachverständigengutachten zur Prüfung vor Verkauf des Unfallwagens an die Versicherung übersandt werden muss. Diese zutreffende Ansicht wird in den aktuellen Urteilen des AG Michelstadt Urteil vom 06.07.2015 Az.: 1 C 209/14 (02); AG Leverkusen, Urteil vom 28.04.2015 Az.: 24 C 401/14; LG Itzehoe mit Urteil vom 22.01.2015, Az.: 10 O 87/14 ; AG Rheinbeck Urteil vom 08.01.2015, Az.: 12 C 591/14; AG Hamburg-Wandsbek Urteil vom 02.12.2014 Az.: 716 b C 151/14; AG Primasens Urteil vom 07.11.2014 Az.: 2 C 111/14; AG Heidenheim Urteil vom 06.10.2014 Az.: 4 C 1030/14; AG Kaiserslautern Urteil vom 27.06.2014, Az.: 12 C 1759/13; AG Kulmbach Urteil vom 08.05.2014, Az.: 70 C 678/13; LG Wiesbaden Urteil vom 03.05.2013, Az.: 2 O 102/11, LG Berlin Urteil vom 25.02.2013 Az.: 42 S 183/14 bestätigt. 

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Geschädigte aufgrund seiner in der ständigen Rechtsprechung anerkannten Stellung als Herr des Restitutionsgeschehens grundsätzlich entscheiden darf, ob, an wen und wann er sein Unfallfahrzeug verkaufen möchte. Restwertangebote der regulierenden Versicherungen sind allenfalls in sehr engen Grenzen beachtenswert und dürfen nicht die Position des Geschädigten untergraben. 

Karoline Guzy
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Verkehrsrecht