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Autohaus Schadenrecht „Missverständnisse zum merkantilen Minderwert“
Vielfach kürzen schadensregulierende Haftpflichtversicherungen die Schadensposition „merkantiler Minderwert“ oder streichen diese sogar komplett. Begründet wird dies mit dem Standardargument, dass ein merkantiler Minderwert aufgrund der Art der Reparatur, durch welche nicht in das Fahrzeuggefüge eingegriffen werde, nicht angefallen sei. Oder, dass aufgrund des Alters und/ oder der Laufleistung des verunfallten Pkw kein Raum für eine Wertminderung sei.
Jedoch gehen diese Argumente ins Leere, denn bei der merkantilen Wertminderung handelt es sich um ein Stück Marktwirtschaft. Diese beruht auf der Tatsache, dass ein Kfz mit Vorschaden im Rechtsverkehr in seinem Wert geringer eingeschätzt und bewertet wird als ein Fahrzeug, das unfallfrei geblieben ist. Daraus folgt, dass der merkantile Minderwert einen Vermögensausgleich für dasjenige Risiko darstellt, das dadurch besteht wegen der Unfallbeteiligung des Pkw einen Mindererlös bei der Veräußerung zu erzielen. Der BGH hat sich schon im Jahre 1958 mit dem merkantilen Minderwert und dessen grundsätzlicher Erstattungsfähigkeit auseinandergesetzt (VersR 1958, 161 f.).
Den ablehnenden Argumenten der regulierenden Haftpflichtversicherer kann folgendermaßen entgegengetreten werden:
1. Bagatellschaden/ Art der Reparatur
Häufig wenden Versicherer ein, dass im Rahmen der Reparatur lediglich „ein paar Schrauben“ festgedreht werden müssen, so dass nicht in das Fahrzeuggefüge eingegriffen wurde und daher kein merkantiler Minderwert entstanden sein könne. Ein weiteres Argument in diesem Zusammenhang ist, dass es sich um einen nur geringen Bagatellschaden handele, der nicht geeignet sei, zu einem merkantilen Minderwert zu führen.
Diese Argumente können dadurch entkräftet werden, dass der durch einen Unfall entstandene Schaden, unabhängig von dessen Umfang und dem Aufwand der Reparatur, im Falle einer Veräußerung des verunfallten Wagens offenbart werden muss. Sobald potentielle Käufer, Kenntnis davon erlangen, dass es sich um ein Unfallfahrzeug handelt, erwarten diese umfangreiche Preisnachlässe, die sie nicht erwarten würden, wenn gerade kein Unfallfahrzeug zum Verkauf stünde. Als nicht offenbarungspflichtige Bagatellschäden gelten nur ganz geringfügige äußere Lackschäden, nicht hingegen weitergehende Blechschäden. Allein der Umstand, dass das Fahrzeug bei einem Unfall einen nicht unerheblichen Schaden erlitten hat, stellt einen Sachmangel dar, sofern der Verkäufer auf diesen Schaden nicht hingewiesen hat (BGH Urteil vom 10.10.2007 Az.: VIII ZR 330/06; NJW 2008, 53).
Darüber hinaus gibt es nach Ansicht des LG Saarbrücken, Urteil vom 18.03.2011, Az.: 13 S 158/10 keine „pauschale Bagatellgrenze“. Vielmehr kommt es ausschließlich darauf an, ob sich die Reparatur spürbar auf den Wiederverkaufswert auswirkt. Muss sich ein durch einen Unfall beschädigtes Fahrzeug auf dem Gebrauchtwagenmarkt gegen unfallfreie Pkw behaupten, liegt es auf der Hand, dass allein aufgrund des Umstandes verborgen gebliebener Mängel, vor denen auch eine Reparatur durch alleinigen Austausch von Schraubteilen nicht schützt, potentielle Käuferschichten, zum Teil immense, Preisnachlässe erwarten.
Das AG Berlin-Mitte, Urteil vom 12.03.2010, Az.: 114 C 3146/08 vertritt die Auffassung, dass es bei der merkantilen Wertminderung nur auf die Differenz zwischen dem erzielten Verkaufspreis vor und nach einem Unfall ankommt. Das AG Duisburg sieht eine Wertminderung stets als gegeben an, da der Unfallschaden offenbarungspflichtig ist, Urteil vom 13.02.2013, Az.: 52 C 4939/11. Dieser Ansicht schließen sich auch das AG Frankfurt in seinem Urteil vom 06.02.2012, Az.: 32 C 1718/11 (22) und das AG Saarlouis, Urteil vom 11.02.2008, Az.: 30 C 1735/07 an. Das AG Mölln stellt klar, dass ein merkantiler Minderwert nicht nur dann vorliegt, wenn ein erheblicher Eingriff in das Fahrzeuggefüge vorgenommen wird, Urteil vom 12.10.2007, Az.: 3 C 280/07. Nach Ansicht des BGH ist die Grenze für nicht mitteilungsbedürftige Bagatellschäden sehr eng zu ziehen, Urteil vom 10.10.2007, Az.: VIII ZR 330/06. Eine Wertminderung entstehe allenfalls dann nicht, wenn leichte Kratzspuren durch eine einfache Nachlackierung behoben werden könnten, BGH Urteil vom 20.05.2009, Az.: VIII ZR 191/07.
Festzuhalten bleibt, dass ein geringer Reparaturumfang bzw. ein nur kleiner Schaden nicht zu einem Entfallen des Anspruchs auf merkantile Wertminderung führt.
2. Fahrzeug Alter / Laufleistung
Auch das Alter bzw. eine hohe Laufleistung sind kein zwingendes Ausschlusskriterium für das Entstehen einer merkantilen Wertminderung.
Denn mit der technischen Entwicklung und der zunehmenden Langlebigkeit der Fahrzeuge hat sich die Bedeutung der Laufleistung auf dem Gebrauchtwagenmarkt verändert. Daher kann nicht mehr auf eine starre Kilometergrenze abgestellt werden. Vielmehr muss für jeden Einzelfall gesondert geprüft werden, ob sich der Unfallschaden wertmindernd auswirkt (OLG Oldenburg, Urteil vom 01.03.2007, Az.: 8 U 246/06; OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.06.2012, Az.: I-1 U 149/11; LG Hannover, Urteil vom 14.12.2012, Az.: 9 S 60/07; VRR 2008, 147).
Auch bei älteren Fahrzeugen ist ein merkantiler Minderwert nach einem Unfall nicht ausgeschlossen, da sich auch insofern die Bedeutung des Fahrzeugalters auf dem Gebrauchtfahrzeugmarkt gewandelt und an die Langlebigkeit neuerer Fahrzeugmodelle angepasst hat (BGH Urteil vom 23.11.2004, Az.: VI ZR 357/03; AG Erkelenz, Urteil vom 30.09.2008, Az.: 6 C 215/08; LG Berlin, Urteil vom 25.06.2009, Az.: 41 S 15/09; AG Neumünster, Urteil vom 15.05.2008, Az.: 32 C 1453/07; VA 2009, 39; AG Idstein, Urteil vom 04.12.2009, Az.: 31 C 155/09).
Fazit:
Für die Erstattungsfähigkeit des merkantilen Minderwertes kommt es weder auf den Reparaturumfang bzw. ob ein Bagatellschaden vorliegt noch auf das Alter oder die Laufleistung des Pkw an, sondern allein darauf, dass der Pkw durch das schädigende Unfallereignis einen vermögensmindernden Wertverlust erlitten hat, der entsprechend kompensiert werden muss.