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Das Problem der Vorbeschäftigung bei sachgrundlosen Befristungen von Arbeitsverhältnissen

Sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse sind insbesondere den Gewerkschaften und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) schon lange ein Dorn im Auge. Deswegen sieht auch der Referentenentwurf des BMAS vom 14. April 2021 deutliche Verschärfungen vor. Zukünftig soll eine sachgrundlose Befristung nur noch für die Dauer von 18 statt 24 Monaten zulässig sein. Bis zu dieser Gesamtdauer soll nur noch eine einmalige statt einer 3-maligen Verlängerung der Befristung möglich sein. Arbeitgeber, die in der Regel mehr als 75 Arbeitnehmer beschäftigen, dürfen maximal 2,5 % ihrer Arbeitnehmer sachgrundlos befristen. Diese im Koalitionsvertrag verabredete (kritikwürdige) Änderung des Befristungsrechts ist nun wieder durch das BMAS gegen Ende der derzeitigen 19. Legislaturperiode ein Thema. In dem Referentenentwurfist jedoch nicht eine Änderung des sogenannten Anschluss- bzw. Vorbeschäftigungsverbots nach § 14 Abs. 2 Satz 2 (Teilzeit – und Befristungsgesetz) TzBfG geplant.

Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG kann ein Arbeitsverhältnis nicht ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes kalendermäßig befristet werden, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Was „bereits zuvor“ bedeutet hat in der Vergangenheit in der Rechtsprechung zu kontroversen Entscheidungen geführt. Zunächst verstand das BAG unter „bereits zuvor“ „jemals zuvor“ und ab 2011 dann „in den letzten 3 Jahren“. Klarheit hat dann das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 06. Juni 2018 gebracht. Seitdem gilt das Vorbeschäftigungsverbot nur dann nicht, wenn

  • eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt oder
  • eine Vorbeschäftigung ganz anders geartet war oder
  • eine Vorbeschäftigung von sehr kurzer Dauer gewesen ist.

1. Sehr lang zurückliegende Vorbeschäftigung

Zwischenzeitlich hat das BAG in seinen Entscheidungen präzisiert, was unter einer sehr langen Vorbeschäftigung zu verstehen ist. Dies ist dann der Fall, wenn die Vorbeschäftigung mindestens 18 Jahre zurückliegt. Sollte künftig die gesetzliche Höchstdauer der Befristung nicht mehr 24 Monate, sondern 18 Monate betragen, ergäbe die Berechnungsformel des BAG statt einer 18-jährigen Unterbrechungsdauer eine Mindestunterbrechungsdauer von 18,5 Jahren, damit die Vorbeschäftigung sehr lange zurückliegt.

2. Ganz anders geartete Vorbeschäftigung

Ob eine Vorbeschäftigung ganz anders geartet war und daher die Nichtanwendung des § 14 Abs. 2 TzBfG zur Folge hat, muss in jedem Einzelfall geprüft und entschieden werden. Erforderlich ist, dass die in dem neuen Arbeitsverhältnis geschuldete Tätigkeit Kenntnisse oder Fähigkeiten erfordert, die sich wesentlich von denjenigen unterscheiden, die für die Vorbeschäftigung erforderlich waren. Eine ganz anders geartete Tätigkeit ist im Zusammenhang mit einer Aus- oder Weiterbildung nur anzunehmen, wenn diese den Arbeitnehmer zur Erfüllung von Aufgaben befähigt, die zwar nicht einer beruflichen Neuorientierung im Sinne einer Tätigkeit etwa in einer anderen Branche gleichkommen, aber der Erwerbsbiografie des Arbeitnehmers eine völlig andere Richtung geben.

3. Vorbeschäftigung von sehr kurzer Dauer

Hier hat die Rechtsprechung zwischenzeitlich einen Zeitraum von 3 Monaten herauskristallisiert. Sofern also eine Vorbeschäftigung länger als 3 Monate dauerte, ist sie nicht mehr im Sinne des Gesetzes als eine sehr kurze Vorbeschäftigung anzusehen.

Praxistipp:

Arbeitgeber, die beabsichtigen, einen Arbeitnehmer sachgrundlos befristet einzustellen, müssen also zuvor prüfen, ob der Arbeitnehmer bereits im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG bei Ihnen oder einem Rechtsvorgänger vorbeschäftigt war. Einige Arbeitgeber haben deshalb in den Arbeitsverträgen und / oder in Personalfragebögen aufgenommen, dass eine Vorbeschäftigung nicht vorlag, was dementsprechend der Arbeitnehmer durch Unterschrift unter dem Arbeitsvertrag bzw. durch entsprechendes Ankreuzen im Personalfragebogen bestätigte. Diese Vorgehensweise ist aufgrund einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 11. März 2020 – 4 Sa 44/19 – nicht zu empfehlen. Ohne hier näher auf die dogmatische Argumentation des Landesarbeitsgerichts einzugehen, bleibt jedoch festzuhalten, dass das Landesarbeitsgericht einen Verstoß gegen das AGB-Recht angenommen hat. Unstrittig unterliegen sowohl Arbeitsverträge wie auch Personalfragebögen der sogenannten AGB-Kontrolle. Das Landesarbeitsgericht hat nämlich einen Verstoß gegen § 309 Nummer 12 b BGB angenommen. Danach ist eine Klausel unwirksam, durch die der Verwender (Arbeitgeber) die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils (Arbeitnehmer) ändert, insbesondere indem er

a) diesem die Beweislast für Umstände auferlegt, die im Verantwortungsbereich des Verwenders liegen oder

b) den anderen Vertragsteil bestimmte Tatsachen bestätigen lässt.

Nach ganz herrschender Meinung ist § 309 Nummer 12 b BGB einschlägig, wenn die vom Verwender (Arbeitgeber) zu erbringende Beweisführung erleichtert oder ein vom Vertragspartner zu erbringende Beweis erschwert wird. Die Vorschrift erfasst jeden Versuch, die Beweisposition der anderen Vertragspartei zu verschlechtern, auch wenn die Beweislast nicht umgekehrt wird. Entscheidend ist allein, ob die Klausel im Streitfall mögliche Beweiswirkung zu Ungunsten der anderen Vertragspartei (Arbeitnehmer) entfaltet. Bestätigt der Arbeitnehmer in einer vom Arbeitgeber vorformulierten Erklärung, dass er nicht in einem Zuvor-Arbeitsverhältnis gestanden hat, wird nicht lediglich die geltende Beweislastverteilung wiedergegeben. Vielmehr wird mit der abgegebenen Erklärung der vom Arbeitnehmer zu führende Beweis der Tatsache, dass es keine relevante Vorbeschäftigung beim Arbeitgeber gegeben hat, erschwert und seine Beweisposition durch die gegen sich gerichtete Bestätigung, deren Unrichtigkeit er zu widerlegen hat, verschlechtert.

Die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg mag für einen juristischen Laien schwer nachvollziehbar sein, sollte jedoch dazu führen, zukünftig davon abzusehen, in Arbeitsverträgen oder im Personalfragebögen die Frage nach einer Vorbeschäftigung zu thematisieren. Vielmehr sollte der Arbeitgeber von seinem Fragerecht Gebrauch machen. Im Einstellungsgespräch sollte explizit die Frage nach einer Vorbeschäftigung gestellt werden. Wichtig ist dabei, dass das Einstellungsgespräch, insbesondere die Frage nach der Vorbeschäftigung, zum einen dokumentiert und auch von einem Zeugen bestätigt werden kann. Deshalb sollte das Einstellungsgespräch durch Personalreferenten, Personalleiter, Prokuristen etc. geführt werden. Dringend abzuraten ist davon, dass das Einstellungsgespräch vom Gesch.ftsführer, Vorstand oder sonstigen Organen bzw. vom Inhaber eines Unternehmens geführt wird, weil diese nicht als Zeugen fungieren können. Sie sind im Falle eines Rechtsstreits Partei.

S. Schlöffel

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht und Mediator